Eintauchen in andere Welten, wandern “zwischen den Welten”. Wer träumt nicht davon? Mit der aktuellen Generation an Virtual Reality (VR) Headsets fühlt sich dieser Traum ein Stückchen “realer” an. Bisher war der Einstieg in VR mit sehr hohen Kosten verbunden. Billig ist das Ganze auch heute noch nicht, jedoch wesentlich günstiger als noch 2016, als das Thema zum ersten mal mit wirklich ernsthaften Ansätzen wieder verfolgt wurde.
Wer von den bis zu 100 Euro teuren “Handyhalterungen” enttäuscht war, musste bisher mit 700-1.300 Euro plus Gaming PC (auch hier fallen für die VR Anforderungen nochmal mindestens 800 Euro an) rechnen.
Mittlerweile hat die große Datenkrake Facebook mit der Oculus Quest 2 jedoch eine preiswerte Alternative geschaffen. Diese funktioniert sogar autark, wenn man Abstriche an der Grafik und Spielauswahl in Kauf nimmt.
Günstiger Einstieg in die VR Welt
Und genau zu dieser Alternative möchte ich euch meine Erfahrungen berichten, doch Vorsicht: Den “günstigen” Preis der Quest 2 (circa 350 Euro für die 64GB Variante) finanziert sich Facebook mit der Analyse eurer Daten, also eurem Nutzungsverhalten. Das ist nicht schön zu reden und dieser “Preis” ist für manch einen wesentlich höher, als die bei der Anschaffung gesparten Euronen. Nicht umsonst wird die Quest 2 mit ihrem Facebook Account Zwang in Deutschland aktuell nicht verkauft.
Halt? Wird hierzulande gar nicht verkauft? Warum dann überhaupt darüber berichten?
Richtig in Deutschland gibt es unter anderem aus oben genannten Gründen keinen Verkauf der Quest. Das gilt jedoch nicht für den Rest von Europa. Ebenso darf man die Quest 2 durchaus mit einem deutschen Konto in Deutschland benutzen und darüber digitale Einkäufe tätigen.
Wer wie ich die Verteidigung seiner Daten zum Großteil bereits aufgegeben hat oder generell damit wenig Probleme hat, der sollte sich die Quest 2 also durchaus einmal ansehen. Ich möchte hier nicht das Produkt an sich bewerben oder gar die Geschäftspraktiken von Facebook gutheißen. Jedoch empfinde ich die Möglichkeiten die einem die Quest 2 vor allem zu dem Preis verglichen zur Konkurrenz (dazu unten mehr) bietet als so zahlreich, dass es mir doch glatt eine Investition Wert war und ich dem Thema VR eine neue Chance gegeben habe.
Geplatzte Zockerträume
Vor 4 Jahren hatte ich schonmal versucht in der virtuellen Realität Fuß zu fassen. Damals in Form der Samsung Gear VR in Zusammenarbeit mit deren S7 Mobiltelefons. Das Ganze war jedoch eher Enttäuschend: Fliegengitter, Lowpoly Optik und eine Spieleauswahl die man eher als “hey es gibt eine Handvoll Techdemos” bezeichnen könnte. Ich hatte zwar einige Stunden mit “Keep talking and nobody explodes” meinen Spaß, der Rest jedoch langweilte mich eher oder führte zu großer Übelkeit.
Richtig gelesen: Von der ganzen Geschichte kann einem auch noch richtig Schlecht werden. Von dieser “motion sickness” ist manch einer mehr und manch einer weniger betroffen. Mich, dem es als Kind schon vom Autofahren schlecht wurde, hatte es hier natürlich gleich besonders getroffen. Der arme Jay, der schon immer davon geträumt hatte in die Spielewelten komplett einzutauchen, war ziemlich geknickt. 5 Minuten im Rollstuhl durch die Horror Irrenanstalt geschoben zu werden resultierten in zweistündigen migräneartigen Zuständen, welche die schützende Nähe des Badezimmers nicht missen wollten.
Das ist einfach nichts für mich, dachte ich mir. Doch 4-5 Jahre später haben zum einen die Entwickler dazu gelernt was dem Magen der breiten Mehrheit bekommt und was nicht, zum anderen sorgen höhere Bildwiederholraten und Auflösungen dafür, wesentlich seltener von dieser “Reisekrankheit” betroffen zu werden.
Aufkeimen neuer Hoffnungen
Bei der Quest 2 wollte ich dann den Widerständen zum Trotz einen Versuch wagen und was soll ich sagen? Ich habe es nicht bereut: Es gibt immer noch Spiele die einer Spielfigur Bewegungen zumuten die ein (oder zumindest mein) bewegungsloses Hirn nicht verkraften wollen. Aber dank “Teleportationssteuerung” oder Spielen die eher als Diorama aufgezogen sind, gibt es mittlerweile zahlreiche Spiele, die selbst ich ohne großartige negative Nachwirkungen wirklich genießen kann.
2 Stunden Half-Life: Alyx am Stück? Kein Problem und dank kabelloser Verbindung sogar frei beweglich. Ja tatsächlich: auch wenn die Quest 2 als autarke VR Brille konzipiert ist, gibt es dennoch einige Möglichkeiten um auch auf PC VR Spiele (via SteamVR beispielsweise oder aus dem Oculus Rift Store) zugreifen zu können. Man hat also Zugriff auf alle gängigen VR Plattformen. Wenn ihr wissen wollt wie, dann lest einfach unten beim Absatz “Zukunftsträume werden (virtuelle) Realität” weiter. Wie anfangs erwähnt könnt ihr nämlich mit der Quest komplett ohne Gaming PC “völlig frei” zocken. Die Spieleauswahl ist hier natürlich geringer, da man komplett auf den Oculus Quest Store beschränkt ist.
Rabatte findet man hier zugegebenermaßen selten und deren Höhe ist im Vergleich zu Steam eher gering. Dennoch findet ihr hier Hochkaräter wie beispielsweise Onward und Moss. Ein weiterer Vorteil, der in meinen (alten & müden xD) Augen kaum Gewicht hat: Da es nativ auf der VR Brille berechnet wird, spielen hier Latenzen keine Rolle (was das ist dazu später mehr). Wenn überhaupt, dann macht sich das bei schnellen Rhythmus-/Reaktionsspielen wie Beat Saber oder Synth Riders bemerkbar. Diese würde ich in der Tat im Quest Store kaufen. Nicht nur wegen etwaiger Latenzen, sondern der Möglichkeit die Quest einfach mal mit zu Freunden/Familie nehmen zu können. Bei diesen Spielen fallen die Abstriche an der Grafik im Vergleich zum Gaming PC auch nicht so ins Gewicht.
Das Tracking
Die Quest verwendet hier ein sogenanntes Inside-Out Tracking. D.h. hier sind Kameras am Headset angebracht, welche die Bewegung der Controller (experimentell auch der Hände selbst) sowie die eigene Position in Relation zur Umgebung erfasst. Im Vergleich zu meiner “HandyVR” Erfahrung vor 4-5 Jahren funktioniert das echt super. Berichten zufolge ist das aber nicht so genau wie das „Lighthouse-Tracking“ von Valve. Wo die Variante der Quest definit seinen Nachteil hat, ist wenn man mit den Händen hinter dem Rücken rumfuchtelt. Auch ein “Hand vor den Mund halten” in Half-Life: Alyx hat hier nicht einwandfrei funktioniert (war aber spielbar), da die Hand hier direkt unter den unteren Kameras so ziemlich alles abdeckt. Das Zielen über Kimme und Korn geht hier jedoch relativ gut.
Da in Online-Multiplayer Spielen aber eine „Teleportationssteuerung“ in der Regel aus verständlichen Gründen nicht möglich ist, fallen derlei Spiele für mich zumindest aktuell leider noch raus (entschuldigt die Rückerstattung liebe Population: One Entwickler). Ich kann aber bestätigen das man hier mit der Zeit immer weniger Probleme hat, je mehr Zeit man mit VR verbringt. Eine Bewegung der Spielfigur ohne Bewegung des eigenen Körpers bleibt wohl für mich jedoch schwierig. Ein kurzer Abstecher in das Cockpit eines TIE Fighters in StarWars: Squadrons verlief jedoch erstaunlich gut. Vermutlich aufgrund der festen Ankerpunkte (dem Cockpit).
Wer nun ohnehin einen VR tauglichen Gaming PC hat kann aber neben der besseren Grafik vor allem auch auf Spiele aller anderen Stores zugreifen. Ihr solltet euch hier jedoch vorher über die Anforderungen an den PC informieren, denn diese sind nicht ganz ohne. Spiele über SteamVR laufen beispielsweise problemfrei, was auch daran liegen könnte das laut Steam Hardwareanalysen die Produkte von Oculus über 50% aller VR Headsets unter den Nutzern ausmachen.
Zukunftsträume werden (virtuelle) Realität
Aber wie verbindet man nun die Quest 2 mit dem PC? Oculus bietet hier die offizielle Lösung in Form des Link Kabels an. Dieses USB Kabel mit Glasfaser kostet jedoch rund 80 Euro und ist somit nicht gerade billig. Oculus empfiehlt aber auch günstigere Alternativen von Anker beispielsweise. Es können also auch reguläre USB-C Kabel verwendet werden, diese müssen jedoch gewissen Anforderungen entsprechen. Bei der “offiziellen Empfehlung” handelt es sich um ein 3 Meter Kabel für knapp 20 Euro. Wer bei den offiziell unterstützten Varianten bleiben will findet damit die günstigste Möglichkeit.
Wer jedoch Vogelfrei durch die Wohnung hüpfen möchte, um beispielsweise ohne Leine mit Karacho gegen Wände und Möbel zu rennen, der findet in Form von Virtual Desktop meiner Meinung nach die beste Lösung. Voraussetzung ist hier jedoch ein vernünftiges WLAN. Idealerweise sollte hier der PC kabelgebunden mit dem WLAN Router verbunden sein. Dieser wiederum sollte im gleichen Zimmer in dem ihr spielt untergebracht sein. Zusätzlich ist hier dringend eine 5GHz Frequenz zu empfehlen. Gibt es damit noch Probleme solltet ihr sicherstellen das so wenig Geräte wie möglich den gleichen WLAN-Kanal verwenden. Bei Fragen hierzu könnt ihr aber gerne im Discord auf mich zukommen.
Aufpassen solltet ihr beim Kauf der “Virtual Desktop” App. Hier gibt es leider viele ärgerliche Fehlkäufe. Ihr benötigt die App für circa 20 Euro aus dem Quest Store, um diese direkt auf der Quest ausführen zu können. Die Version aus den Oculus Rift Store oder von Steam wird hierfür nicht benötigt. Oculus unterscheidet hier strikt zwischen dem Rift und dem Quest Store. Es gibt sehr wenige Apps bei der ihr die Lizenz für beide Varianten erhaltet. Der Rift Store ist sozusagen die PC VR Variante von Oculus. Am PC braucht ihr lediglich die kostenlose Virtual Desktop Streamer Anwendung. An der Stelle möchte ich auch kurz die kostenlose Alternative ALVR nennen: Diese scheint jedoch bei der Einrichtung komplizierter und bezogen auf die Latenzen nicht ganz so gut sein. Zugegebenermaßen habe ich mir hier aber kein eigenes Bild gemacht.
Konkurrenz und Fazit
Vergleichbare VR Brillen kosten hier aktuell fast das doppelte oder mehr und bieten nicht die Freiheiten die die Quest 2 mit sich bringt. Dafür haben diese jedoch – neben dem offensichtlichen Vorteil nicht an einen Facebook Account gebunden zu sein – häufig weitere Vorteile in die ein oder andere Richtung (aber auch den ein oder anderen Nachteil). Die “Top Lösung” von Valve kostet hier gar 1.300 Euro, wenn ihr die Lighthousetrackingboxen und Controller ebenfalls benötigt. Um das dann auch noch Wireless umzusetzen kommt nochmal ein guter Batzen dazu.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich hier einiges getan hat und in der Entwicklung auch weiterhin große Sprünge zu verzeichnen sind. VR ist immer noch ein “Nischenmarkt”. Jedoch wächst die Auswahl der Spiele und darunter sind einige Titel die man erlebt haben sollte. Ich bin froh dem Thema nochmal eine Chance gegeben zu haben.
Solltet ihr das Ganze mal in Aktion sehen wollen könnt ihr gerne bei uns auf dem Twitch Kanal die Augen offenhalten. Als neuer Content Creator möchte ich dort gerne mit euch in die ein oder andere Welt eintauchen. Primär zwar in klassische non-VR Games, aber solltet ihr Lust darauf haben, dann steht hier auch der ein oder andere Ausflug in die virtuelle Realität auf dem Plan.
**Update** (30.04.21)
Mittlerweile ist der Zukauf der Quest-App Virtual Desktop nicht mehr zwingend notwendig. Mit der Software Version 28 kann man auch über WLAN und daher ohne Link Kabel, die Verbindung zur Oculus PC-App herstellen und somit PC-VR im gleichen Umfang nutzen.